Positionspapier zur nationalen Biomassestrategie Deutschlands

1. April 2023

Forderungen
    1. Politische Unterstützung von biogenen Flugkraftstoffen
      • a. Klare Bekennung zur Wichtigkeit als Baustein in einem technologieoffenem SAF Portfolio neben PtL-Flugkraftstoff
      • b. Klare Orientierung an der RED II hinsichtlich Priorisierung von nachhaltigen Biokraftstoffen und Zertifizierungsrahmen
      • c. Bestehende internationale Wertschöpfungsketten berücksichtigen und weiterentwickeln.
      • d. Schaffung von Investitions- und Innovationssicherheit durch zuverlässige und EU-konforme Rahmenbedingungen.
    2. Finanzielle Unterstützung von biogenen Flugkraftstoffen, die Investitionssicherheit geben und so den Hochlauf der SAF Produktion unterstützen
      • a. Anreize auf europäischer oder nationaler Ebene schaffen, bspw. durch Unterstützung der SAF-Allowances
      • b. Nutzung von SAF bei Flügen im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland
      • c. Förderung nationaler und internationaler Projekte zur Nutzbarmachung von nachhaltiger Biomasse.
Hintergrund
    1. Die Luftfahrt ist für ca. 3% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Bei Berücksichtigung der Nicht-CO2-Effekte liegt der Beitrag zur Klimaerwärmung deutlich höher. Das globale Wachstum ist post-Covid ungebrochen. Es besteht dringender Handlungsbedarf.
    2. Alternative Antriebstechnologien (batterie-elektrisch, hybrid, Wasserstoff etc.) stehen voraussichtlich erst in ca. 20 Jahren für Verkehrsflugzeuge zur Verfügung. Flugzeuge haben eine Lebensdauer von ca. 25-30 Jahren. D.h. bis ca. 2050 werden weit überwiegend Flugzeuge mit konventionellen Antriebstechnologien auf dem Markt sein. Daher brauchen werden drop-in Kraftstoffe gebraucht, die CO2-Emissionen auf Lebenszyklus-Basis und Nicht-CO2 Effekte reduzieren und die lokale Luftqualität verbessern.
    3. Nicht-biogene Kraftstoffe (RFNBOs, PtL, e-Fuels), könnten theoretisch in ausreichenden Mengen hergestellt werden. Die benötigten Technologien müssen aktuell noch im industriellen Maßstab etabliert werden.1 Insgesamt wird PtL-Flugkraftstoff mittelfristig nicht nur in sehr geringen Mengen verfügbar sein, sondern wird auf absehbare Zeit deutlich teurer als nachhaltige biogene Kraftstoffe bleiben. Deshalb ist neben dem Hochlauf von PtL-Flugkraftstoff die Verwendung von Rohstoffen biogenen Ursprungs zur Erreichung der Klimaziele im Luftverkehr unerlässlich.
    4. Biogenes SAF ist bereits heute weltweit in der Luftfahrt im Einsatz und wird voraussichtlich auch bis 2050 immer noch einen relevanten Anteil der nachhaltigen Kraftstoffe ausmachen (wie auch in den aktuellen Entwürfen für Beimischungsquoten in ReFuelEU vorgesehen).
    5. Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass eine Nationale Biomassestrategie verabschiedet werden soll, und nehmen zu den veröffentlichten Eckpunkten wie folgt Stellung. 1 beispielsweise Direct-Air-Capture (DAC) und Reverse-Watergas-Shift Reaktion (RWGS). Fossile CO2-Punktquellen werden zudem weniger und sind innerhalb der EU größtenteils nur bis 2035 bzw. 2040 anerkannt.
Grundsatzpositionen der aireg
    1. Der vorgeschlagenen Nutzungshierarchie von Biomasse stimmen wir grundsätzlich zu. Unter der Voraussetzung, dass ein marktwirtschaftlicher Bedarf und kompetitive Produktionsbedingungen für eine stoffliche Nutzung gegeben sind, sollte diese gegenüber der energetischen Nutzung priorisiert werden. Außerdem muss belastbar nachgewiesen werden, dass der Kohlenstoff langfristig (>50 Jahre) gebunden bleibt. Nach der stofflichen Nutzung (z.B., als Baumaterial oder Dämmstoff) des Produkts muss eine energetische Verwertung angestrebt werden.
    2. Die energetische Nutzung muss primär Sektoren zugeführt werden, in denen andere Technologien zur Dekarbonisierung nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Dies sind insbesondere der Flug- und Schiffsverkehr und z.T. auch der straßengebundene Schwerlastverkehr. Die Umwandlung von Biomasse in Kraftstoffe in diesen Sektoren muss in der Nationalen Biomassestrategie explizit Eingang finden – so kann auch grundsätzlich die Priorisierung von nachhaltigen Biokraftstoffen auf Basis von Rest- und Abfallstoffen gegenüber Anbaubiomasse – und sukzessive ein Ausphasen der Nutzung konventioneller Anbaubiomasse für Biokraftstoffe festgehalten werden.
    3. Gleichzeitig muss anerkannt werden, dass bei der Produktion nachhaltiger Biokraftstoffe für den Flugverkehr auch immer Nebenprodukte (z.B., Naphta, Diesel) anfallen. Diese sollten ebenfalls als nachhaltige Produkte anerkannt werden, da sie die Defossilierung im Straßenverkehr oder der chemischen Industrie zusätzlich unterstützen können.
    4. aireg e.V. setzt sich für eine Unterscheidung verschiedener Biomasseoptionen ein. Die Verwendung von biogenen Abfall- und Reststoffen sollte immer Vorrang vor der Nutzung von Anbaubiomasse haben. Es sollte keine Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsmittelproduktion und Biokraftstoffproduktion entstehen. Zu beachten ist, dass beispielsweise bei der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln Nebenprodukte anfallen, die wiederum als Rohstoffe für die Biokraftstoffproduktion dienen können. Bei der Nutzung von Anbaubiomasse muss die Ernährung von Menschen immer Vorrang haben. Es gibt mehrere Optionen wie dies verlässlich garantiert werden kann. Beispielsweise sind dies die Verwendung von Zwischenfrüchten oder Biomasse, die auf Flächen angebaut werden, die nicht mit der Nahrungs- und Futtermittelproduktion konkurrieren. Eine entsprechende Zertifizierung dieser Flächen (engl. „Low ILUC certification“) durch anerkannte Zertifizierungssysteme ist möglich, nach heutigem Stand bereits in der RED II berücksichtigt und sollte gefördert werden.
    5. Die Erhaltung der Biodiversität darf nicht beeinträchtigt werden. Hierfür besteht bereits heute ein umfassender nationaler und europäischer Rechtsrahmen. Dieser sollte nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern harmonisiert mit EU-Recht weiterentwickelt werden.
    6. Der Import aus Ländern mit höherem Biomassepotential und geringerem Biomassebedarf muss unterstützt werden. Dabei sind die Nachhaltigkeitskriterien auch im Herkunftsland streng einzuhalten. Der Transport sollte aus Effizienzgründen in Form von flüssigen Kohlenwasser-stoffen erfolgen, ein Transport von Rohstoffen ist nicht wünschenswert.
    7. Zur Vermeidung unnötiger Komplexität durch Parallel-Systeme muss sich die Anerkennung der Nachhaltigkeit der Biomasse an den Vorgaben der EU orientieren (RED II). Die Nutzung der erprobten NABISY-Datenbank kann hier sinnvoll und verlässlich angewandt werden.
    8. Die Nutzung von nachhaltigen Biokraftstoffen in Deutschland sollte politisch und finanziell unterstützt werden. Dies gilt auch für die Unterstützung internationaler Projekte, um den Hochlauf von SAF zu beschleunigen. Obwohl PtL-Flugkraftstoffe langfristig ein größeres Rohstoffpotenzial aufweisen, ist für die Erreichung der Klimaziele entscheidend, dass auch kurzfristigere, biogene Kraftstoffoptionen berücksichtigt werden.
    9. Die Erfüllung dieser Kriterien muss durch anerkannte Zertifizierungssysteme erfolgen, die dies bereits seit mehr als 10 Jahren (z.B. im Rahmen der REDII) für Biokraftstoffe und Biobrennstoffe gewährleisten.
    10. Die Verteilung der nachhaltigen Biomasse auf unterschiedliche Sektoren sollte nicht durch Verbote oder Quoten realisiert werden, sondern den Anforderungen des internationalen Markts überlassen sein. Eine Steuerung der Stoffströme im Sinne der Nutzungshierarchie kann durch gezielte Anreize (z.B., einer Förderung) unter Berücksichtigung der Emissionsminderungs-potenziale der jeweiligen Sektoren realisiert werden.

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