Rohstoffe und Technologien

Technische Innovationen und nachhaltige Flugkraftstoffe

Derzeit wird die Entwicklung zweier besonders innovativer technologischer Konzepte im Luftverkehr verfolgt: Wasserstoff-Flugzeuge und vollelektrische Flugzeuge. Beiden Ansätzen wird großes Potenzial zugesprochen, luftverkehrsbedingte Treibhausgasemissionen – und dabei vor allem auch sogenannte Nicht-CO2-Effekte – in Zukunft deutlich zu reduzieren. Auf dem Weg zu einer ausgereiften und marktfähigen Technologie sind bei beiden Optionen allerdings noch hohe Forschungs- und Entwicklungsbedarfe vorhanden, die aus heutiger Sicht noch mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen werden.

Darüber hinaus erfordern sie den Aufbau einer separaten Bereitstellungsinfrastruktur für den Energieträger (z.B. flüssiger Wasserstoff) sowie den Aufbau von entsprechenden Herstellungs- und Speichermöglichkeiten im gesamten Energiesystem, um Wasserstoff bzw. elektrische Energie aus regenerativen Energien großtechnisch zu erzeugen, zu speichern und am entsprechenden Flughafen verfügbar zu machen.

Wasserstoff-Flugzeuge

Eine Nutzung von Wasserstoff in Flugzeugen – vor allem wenn sie über den Einsatz in Hilfsgasturbinen (APU) oder für die Bordstromversorgung hinausgehen soll – erfordert diverse deutlich über den heutigen Stand der Technik hinausgehende technische, infrastrukturelle und operationelle Entwicklungen. Um (flüssigen) Wasserstoff in kommerziell genutzten Verkehrsflugzeugen einzusetzen, müssen die heutigen Flugzeuge bzw. wesentliche Komponenten, wie u. a. das Tank- und wesentliche Teile des Antriebssystems, völlig neu konstruiert werden.

Antriebsseitig werden für Wasserstoff-Flugzeuge zwei wesentliche Ansätze verfolgt: Die Nutzung von Wasserstoff in modifizierten Gasturbinen und in Brennstoffzellen. Der Einsatz in Gasturbinen ist potenziell mit weniger Entwicklungsarbeit verbunden als eine Nutzung in Brennstoffzellen, was eine zeitnähere Nutzung von Wasserstoff in der Luftfahrt begünstigen könnte. Allerdings können durch den Einsatz von Wasserstoff in Brennstoffzellen die Gesamtemissionen potenziell weiter verringert werden. Dies bedarf aber vor allem noch eine Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie.

Damit Wasserstoff im Luftverkehr zu Treibhausgasreduktionen führt, ist darüber hinaus eine nachhaltige Herstellung und Bereitstellung dieses Brenngases erforderlich. Das bedingt vor allem ein ausreichendes Angebot an erneuerbaren Energien – hier: primär elektrische Energie aus erneuerbaren Energien, wie z.B. Windkraft und Photovoltaik. Der Weg für einen entsprechenden Ausbau wird derzeit auf politischer und regulatorischer Ebene in Deutschland und auch in Europa geebnet bzw. ist auf einem guten Entwicklungspfad. Gerade zu Beginn einer großtechnischen Wasserstoffnutzung wird das Angebot an (nachhaltigem) Wasserstoff wahrscheinlich begrenzt sein und unterschiedliche Anwendungsbereiche einer Konkurrenzsituation um die Wasserstoffnutzung ausgesetzt sein. Im Zuge eines Ausbaus der Produktionskapazitäten muss somit sichergestellt werden, dass Wasserstoff auch für den Luftverkehr zur Verfügung steht, wenn eine großtechnische Nutzung vorgesehen ist.

Batterieelektrische Flugzeuge

Bei batterieelektrischen Flugzeugen sollen die heutigen Antriebskomponenten und Energieträger, d. h. die Gasturbine und Kerosin, vollständig durch einen Elektromotor in Verbindung mit einer Batterie als Energiespeicher ersetzt werden. Der Vorteil dieser Konfiguration aus Antrieb und Energiespeicher sind eine hohe Gesamteffizienz des Antriebs. Analog zu Wasserstoff-Flugzeugen bestehen für batterieelektrische Flugzeuge im Luftverkehr noch diverse technische Herausforderungen. Vor allem Batterien mit ausreichend hohen Energiedichten und einem entsprechend geringen Gewicht spielen eine Schlüsselrolle, um den Einsatz vollelektrischer Flugzeuge zu realisieren. Die heute verfügbaren Batterien haben eine (noch) deutlich zu geringe Energiedichte. Im Vergleich zu herkömmlichen (fossilen) Flugkraftstoffen ist diese etwa um den Faktor 25 geringer. Damit ist es heute noch sehr schwierig, genügend Energie zur Flugdurchführung an Bord der Flugzeuge mitzuführen, d. h. die mögliche Reichweite wird stark reduziert. Auch für die Nutzung von batterieelektrischen Flugzeugen ist eine geeignete Infrastruktur an Flughäfen zum Laden und/oder für einen schnellen Austausch von Batterien erforderlich.

Analog zu Wasserstoff muss diese Infrastruktur (zumindest) an den zentralen Knotenpunkten im jeweiligen Streckennetz der einzelnen Fluggesellschaften zur Verfügung stehen, damit elektrische Flugzeuge möglichst flexibel und umfassend eingesetzt werden können. Je nachdem, wie sich die Nutzung von Wasserstoff-Flugzeugen entwickelt, würde – zumindest in einer Übergangszeit – die Infrastruktur für batterieelektrische Flugzeuge mit einer Wasserstoff-Infrastruktur und mit der bisherigen Kerosin-Infrastruktur koexistieren. Eine derartige ternäre Kraftstoffinfrastruktur bzw. die Ko-Existenz dreier Energiebereitstellungsinfrastrukturen würde sich wesentlich von der heutigen, weltweit einheitlich vorhandenen Kraftstoffinfrastruktur unterscheiden. Soll der Einsatz vollelektrischer Flugzeuge auch zu Klimagasreduktionen führen, muss die elektrische Energie aus regenerativen Energien gewonnen werden. Analog zu Wasserstoff ist dafür ein ausreichendes Angebot an elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen erforderlich, das vor allem in Markthochlaufphasen potenziell einer starken Nutzungskonkurrenz unterliegt und ggf. Herausforderungen beim weiteren Aufbau entsprechender Konversionsanlagen (z. B. Windkraftanlagen) bedingt.

Fazit Technische Innovationen

Technische Innovationen bieten die Perspektive, Klimagasemissionen des Luftverkehrs wesentlich zu reduzieren. Es sind aber noch Jahre an intensiver Entwicklungsarbeit erforderlich, bis erste kommerzielle Erfahrungen mit diesen Technologien im Luftverkehr vorliegen und sie auf ersten Fluglinien im Kurzstreckenbereich kommerziell eingesetzt werden können. Anschließend wird es weitere Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis diese neuen Technologien ausreichend in die dann vorhandenen Flugzeugflotten diffundieren und die Klimagasreduktionen durch diese Technologien in einer „spürbaren“ Größenordnung reduziert werden können – Grund dafür sind lange technische Nutzungsdauern von Flugzeugen. Deshalb werden die Technologien aufgrund der genannten Einschränkungen kurz- und mittelfristig nicht in einem großen Umfang verfügbar sein. Deshalb sollten daher parallel zur Entwicklung und Verfügbarmachung dieser neuen Technologien Optionen verfolgt werden, die in naher Zukunft („unmittelbar“) verfügbar sind und die eine Reduktion von Klimagasemissionen im kommerziellen Luftverkehr in einem signifikanten Umfang innerhalb der heute schon vorhandenen Flugzeugflotte erlauben.

Nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF)

Anders als innovative Technologien können nachhaltige Flugkraftstoffe in naher Zukunft verfügbar gemacht werden. Gegenüber Wasserstoff oder vollelektrischen Ansätzen können sie als sogenannter „drop-in“ Kraftstoff in bestehenden Flugzeugen und der bestehenden Kraftstoffbereitstellungsinfrastruktur problemlos eingesetzt werden. Dies gilt auch aus rechtlich/administrativer Sicht in einer sehr weitgehend sicherheitstechnisch regulierten Luftfahrtbranche. Die erreichbaren Klimagasreduktionen sind damit weder von Flottenmodernisierungsraten noch von vergleichbaren Faktoren zeitlich abhängig. Für eine zeitnahe Klimagasreduktion in merklicher Größenordnung sind nachhaltige Flugkraftstoffe daher essenziell. Dabei ist entscheidend, dass ausschließlich nachhaltige Rohstoffe zur Kraftstoffherstellung eingesetzt werden. Im Allgemeinen kann man zwischen biogenen, strombasierten und hybriden SAF unterscheiden.

Biogene SAF

Unter biogenen bzw. Biomasse-basierten SAF (auch Biokerosin) wird ein breites Spektrum an unterschiedlichen SAF-Spezifikationen zusammengefasst, die aus öl- und fetthaltiger, stärkehaltiger, zuckerhaltiger und/oder lignozellulosehaltiger Biomasse erzeugt werden. Darunter fallen Rohstoffe wie Pflanzenöle, Algen, bestimmte Komponenten von Energiepflanzen, organische Siedlungs- und Industrieabfälle oder Rückstände aus der Land- und Forstwirtschaft. Ein Positionspapier von aireg zur nationalen Biomassestrategie ist hier abrufbar.

Power-to-Liquid (PtL) / strombasierte SAF

Unter strombasierten SAF oder Power-to-Liquid (PtL) SAF sind nachhaltige Flugkraftstoffe zu verstehen, die nicht auf Basis von Biomasse, sondern ausschließlich auf der Basis von Wasser, CO2 und Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Eine Übersicht über die Rohstoff- und Energiebedarfe befindet sich hier.

Hybride SAF

Hybride SAF (auch PBtL SAF) stammen aus hybriden Herstellungsverfahren. Darunter sind hier biomasse- und strombasierte Verfahren zu verstehen. Anders als bei ausschließlich strombasierten Ansätzen kommen nicht nur Wasser, CO2 und Strom als Haupteingangsstoffe (Edukte) in Frage. Stattdessen wird in diesen Prozessen neben Strom eine weitere Kohlenstoffquelle eingesetzt (z.B. Biomethan), die bereits einen Teil der Energie enthält, welche sich im produzierten Flugkraftstoff wiederfindet.

Die wesentlichen SAF Herstellungspfade

Die Herkunft der verwendeten Rohstoffe bestimmt in hohem Maße die Nachhaltigkeit des hergestellten Kraftstoffes. Deshalb setzt sich aireg intensiv mit Rohstoffen auseinander, die kurz-, mittel und langfristig als Ersatz für fossile Quellen in Frage kommen. Hierbei wird nicht nur ihre quantitative Verfügbarkeit berücksichtigt, sondern auch inwiefern sie qualitativ allgemein anerkannten Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. Neben Rohstoffen werden auch verschiedenste Konversionsverfahren und -technologien techno-ökonomisch bewertet. Hierbei spielen sowohl Lebenszyklus-Treibhausgas Emissionen, die Verfügbarkeit der Technologie als auch eine Kostenabschätzung der Produkte eine wesentliche Rolle. Die Roadmap von aireg gibt einen Überblick über verschiedenste Rohstoffe, Konversionstechnologien und Schritte zum Markthochlauf nachhaltiger Flugkraftstoffe.

Die Abbildung zeigt die wesentlichen SAF-Herstellungspfade:

Nach oben scrollen